Region Baden
Gestresste Tiere, Abfallberge und Schäden: Wie der Lockdown die Wälder schädigt

Seit dem Lockdown weichen immer mehr Menschen in die Wälder aus. Unter den Folgen des Besucherandrangs leiden in Wäldern der Region Baden Flora und Fauna.

Larissa Gassmann, Stefanie Garcia Lainez
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Während die Momente in freier Natur für den Menschen ein Genuss sind, leiden Flora und Fauna unter dem ungewohnten Besucherandrang.(Symbolbild)

Während die Momente in freier Natur für den Menschen ein Genuss sind, leiden Flora und Fauna unter dem ungewohnten Besucherandrang.(Symbolbild)

Keystone

In Zeiten von Corona ist ein Aufenthalt an der frischen Luft eine echte Wohltat. Manch gestresstes Familienoberhaupt flüchtet nicht nur an den Wochenenden mit Kind und Kegel in den Wald. Doch während die Momente in freier Natur für den Menschen ein Genuss sind, leiden Flora und Fauna unter dem ungewohnten Besucherandrang.

Oft geraten Gruppen, welche ein Aufeinandertreffen mit anderen Personen vermeiden wollen, von den vorgegebenen Wegen ab. Die angehende Jägerin Muriel Peterhans schlägt jetzt Alarm. «Viele Personen halten sich mitten im Wald auf. Wenn alle kreuz und quer durch die Natur marschieren, dann finden die Wildtiere nicht die Ruhe, die sie dringend benötigen», sagt sie. Die Jagdlehrgängerin des Jagdreviers Baden- Nord verweist auf die trächtigen Rehe, die ihre Jungtiere im Mai oder Juni setzen. Die tragenden Tiere weisen derzeit ein erhöhtes Ruhe- und Schutzbedürfnis auf. Ihre Beobachtungen be­stätigt Marco Freda, Pächter und Jagdaufseher in Baden und Forstwart in Wettingen.

Schnell wird der Mensch zum Störfaktor

Nicht selten muss Freda die Waldbesucher an das geltende Waldgesetz erinnern. «Dieses hat den Zweck, das Wild nicht unnötig zu beunruhigen und ihm einen Rückzugsort zu bieten. Des Weiteren will man Schäden an Boden und Pflanzen vermeiden», sagt Freda. Nebst den hochträchtigen Rehen gilt es, auch auf Kleintiere wie Vögel, Dachse oder Hasen zu achten. Schnell einmal wird der Mensch zum Störfaktor. Der grosse Menschenauflauf lässt die Tiere kaum zur Ruhe kommen.

Speziell zu dieser Jahreszeit, in welcher sich die Pflanzenwelt in der Wiedererwachungsphase befindet, kann ein Abkommen von den Waldwegen der Flora und Fauna erheblich schaden. «Viele Pflanzen be­finden sich im Jungwuchs, sind dementsprechend empfindlich», sagt Freda. Er merkt an, dass der momentan erblühende Wald den Tieren nur zu einem gewissen Teil Schutz bietet. «Die ohnehin schon gestressten Tiere finden momentan nur wenig Deckung und benötigen ihren Rückzugsort», sagt er.

Schwierig ist allerdings, dass nicht immer klar erkennbar ist, wo Wege anfangen oder wo sie aufhören. «Oft handelt es sich bei den ganz schmalen Passagen nicht um Wanderwege, sondern um Pfade, welche die Wildtiere nutzen. Diese verwenden stets die gleichen Wege, um an Nahrung gelangen zu können», sagt Peterhans.

Nebst den Fussgängern werden auch Biker oder Reiter in die Pflicht genommen. Dem kantonalen Waldgesetz nach dürfen sich diese nur auf befestigten Waldstrassen aufhalten. Vielen sei laut Freda nicht bewusst, welch starken Einfluss sie auf die Natur haben: «Jeder einzelne denkt, er alleine schade den Tieren nicht. Aber das Problem ist die Masse. Diese erhöht den Stressfaktor so stark, dass die Tiere unentwegt weichen müssen und nicht zur Ruhe kommen. Flüchtendes oder Ruhe suchendes Wild wird nicht zuletzt auf der Strasse angefahren oder gar überfahren», sagt Freda.

Eine ähnlich grosse Gefahr bilden derweil freilaufende Hunde. Der Kontakt zu wild lebenden Tieren ist stets zu vermeiden, die vom 1. April bis 31. Juli geltende Leinenpflicht zwingend einzuhalten.

Littering verursacht Leid und finanzielle Schäden

Mit der steigenden Anzahl der Waldbesucher haben auch die Fälle von Littering zugenommen. Vor allem nach den Wochenenden treffen Peterhans und Freda regelmässig Abfallberge an. Gerade für Füchse und Igel, welche Allesfresser sind, ist dies ein grosses Problem. Verschluckte Metall-, Aluminium- oder Plastikteile können verheerende Folgen mit sich ziehen, im schlimmsten Fall zum Tod führen. Dieses Problem kennt auch Landwirt Luzius Frei aus Ehrendingen, der immer wieder Kühe auf diese Weise verliert.

Das bedeutet nicht nur grosse Qualen für die Kuh, sondern auch ein grosser finanzieller Schaden für den Bauern. «Immerhin liegen zurzeit massiv weniger Verpackungen von McDonald’s entlang der Strassen, da der im Moment zu ist», sagt Frei. Was er aber feststellt: «Viele Spaziergänger picknicken auf den Wiesen, laufen durch das hohe Gras oder parkieren auf dem Feld.» Die Folgen: Das niedergetrampelte Grün kann nicht gemäht werden. «Das Gras ist ein Lebensmittel, auch wenn nicht für Menschen. Das sollte man respektvoll behandeln.»

Dennoch sind sich Peterhans und Freda sicher, dass ein Aufenthalt in der Natur gute Seiten haben kann und nicht nur in Zeiten der Pandemie völlig legitim und wichtig ist. Wer sich an die offiziellen Wege hält, seinen Abfall zu Hause entsorgt, und Verständnis für die Lage der Tiere zeigt, ist stets willkommen. «Es ist schön zu sehen, dass die Leute mehr in den Wald gehen und die Momente dort geniessen», sagt Peterhans.